Die etwas andere Hochzeitsreise

Rolf W.
11.07.2017
Es war einmal ein Pilot im 2. Weltkrieg, ein begeisterter Flieger. Der überlebte den Krieg, die Begeisterung für die Fliegerei überlebte auch. Nach dem Krieg baute er sich eine neue Existenz als Lehrer auf. Doch damit konnte er seine Fliegerei nicht gut finanzieren. So freundete er sich mit zwei Industrieellen an, die zwar keinen Pilotenschein besaßen, aber das nötige Kleingeld. Nach einiger Zeit machte er mit seinen Freunden eine längere Reise in einem kleinen Sportflugzeug von Stuttgart über Südeuropa, den Nahen Osten, Persien und Pakistan bis nach Indien ? und auch wohlbehalten wieder zurück.

Vor seiner Klasse an der Meisterschule in Stuttgart schwärmte er seinen Schülern dann einiges vor. Besonders begeistert erzählte er von einem Hotel auf Korfu. Das sei der ideale Ort für eine Hochzeitsreise. Goldfarbener Sandstrand, blaues Meer, heller Sonnenschein, Gyros und griechischer Wein?

Unter seinen Schülern saß einer, der schon etwas vorbelastet war. Sein Vater hatte ihm eine unheilbare Reiselust vererbt. Und da er damals gerade verlobt war, fiel die Schwärmerei schnell auf fruchtbaren Boden.

Die Kommunikation war 1964 noch etwas schwieriger und langsamer, alles per Briefpost. Aber nach einigen Kontakten sah es gut aus. Unserer Hochzeitsreise schien nichts mehr im Wege zu stehen. Doch als die Planung konkret werden sollte, stellte sich heraus, dass das Hotel eine Woche VOR unserer Hochzeit wegen Winterruhe für ein paar Monate schloss.

Der Traum von Korfu war damit vorerst geplatzt. Auch erfuhren wir kurz vor unserer Hochzeit, dass mein Schwiegervater unheilbar an Krebs erkrankt war. So blieb von der Hochzeitsreise nur ein zweiwöchiger Aufenthalt in einem Gästehaus im Schwarzwald übrig. Dann kamen andere Aufgaben und Probleme, Hausbau mit extrem viel Eigenleistung, Kinder und andere Reiseziele, vor allem Südfrankreich (billig mit Auto und Zelt) und später Israel. Den Namen des Hotels auf Korfu habe ich vergessen, aber der Name Korfu selbst behielt immer einen besonderen Klang.

Doch als Reiseziel geriet Korfu aus dem Blickfeld - bis - ja, bis ich dieses Frühjahr auf meinem Laptop ein Email von ReNatour fand. Durch diesen Veranstalter war ich vor ein paar Jahren eine Woche lang im Zigeunerwagen mit 1 PS davor durch Frankreich gebummelt. Und jetzt: Geheimplätze, abseits vom Massentourismus, privat geführte Ferienhäuser auf Korfu, familiäre Atmosphäre. Schnell wurden die alten Träume wieder wach: Goldfarbener Sandstrand, blaues Meer, heller Sonnenschein, Gyros und griechischer Wein?

Inzwischen sind über 52 Jahre vergangen, das Ehepaar ist jetzt zusammen 157 Jahre alt. Die Frau ist erblindet und so schwach, dass sie kaum noch gehen kann. Aber warum nicht? Und wenn nicht jetzt ? wann dann??? Die meisten Ehepaare machen ihre Hochzeitsreise am Anfang ihres Ehelebens. Aber geht es nicht auch später? Ein paar Telefonate, ein paar Emails, Internetsuche - dann war der Entschluss konkret und bald gebucht.

Ferienhaus Tetraktys

Unser Ferienhaus liegt im Südwesten von Korfu. Die Zufahrt ist etwas korfu-chaotisch, aber dank einer guten Wegbeschreibung fanden wir mit dem Mietwagen hin. Der Navi versagte. Kanouli kennt er nicht. Kilometerweit durch Olivenwälder, große, alte Bäume, mit eigenartig filigranen Stämmen. Oft kleine, enge Sträßchen ohne Namen, die sich zwischen den Olivenbäumen hindurch schlängeln. Am Haus dann ein sehr freundlicher Empfang, vor der Haustür eine extra Rampe für meine gehbehinderte Frau, eine gut eingerichtete Wohnung, große Terrasse, schöner Garten.

Die Räätschen
Diesen Spitznamen hat meine Frau erfunden - für die in Südeuropa allgegenwärtigen Zikaden. Die Räätschen räätschen. Vom Morgen bis zum Abend. Es sind kleine Tierchen, etwa drei bis vier Zentimeter groß mit einer fantastischen Schutzfarbe. Ihr Elan, ihre Begeisterung und Ausdauer sind bewunderungswert. Die Lautstärke ist erstaunlich, mit der sie in einem vielstimmigen Konzert in fortissimo ihren Schöpfer loben. Erst gegen Abend wird aus ihrem schnellen rätschrätsch ein langsameres räätsch, schließlich räääätsch mit Pausen und noch ein rääääääätsch -tsch -tsch. Dann ist Ruhe - bis zum nächsten Morgen.

Tavernen
Die griechische Küche genießt einen guten Ruf - mit Recht. Gyros, Suflaki, Tzatziki, Käse, Oliven, Fische, Salate, Wein - die Auswahl ist groß und die Qualität und Quantität auch. Viele Tavernen sind familiär geführt. Und ein paar Worte deutsch oder englisch verstehen die meisten. So kann der Urlaub gelingen. Und so war es auch.

Strände
Rings um Korfu gibt es viele schöne Strände verschiedenster Art. Der wohl längste ist Chalikounas bei der Korission-Lagune, ein mehrere Kilometer langer, feiner Sandstrand mit Dünen dahinter. Hinter den Dünen dann die Lagune. Und weil er so lang ist, ist er nicht überlaufen. Buchten wie im Bilderbuch sind Ermones, Kasiopi, Stefanos und ?. Aber das wissen auch andere ? und nicht wenige. Nicht weit von unserem Ferienhaus ist Kanouli, ein Sandstrand von ca. 150 Meter Länge und ziemlich einsam. Also jedem das Seine.

Klöster
Man muss nicht unbedingt Mönch werden, um ein Kloster zu besuchen. Auf einem Berg über Agios Matheos liegt ein Kloster Pantokratora auf ca. 500 Meter über dem Meer. Wer etwas schwierige Naturstraßen nicht scheut ? oder eine längere Wanderung machen möchte, genießt eine herrliche Aussicht über fast die ganze Insel.